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Die Geschichte des Dorfes nach Alfred Hoffmann 1992

Entstehung der Landwirtschaft

Vor 15.000 bis 20.000 Jahren lag in unserer Gegend die Grenze des Eisrandes. Das abfließende Schmelzwasser laugte den Boden aus und spülte die Nährstoffe in die Tiefe, so daß Sandflächen am südlichen und westlichen Eisrand entstanden. In einer Wärmeperiode ging das Eis zurück. Bei einem erneuten Vordringen drang es tief in den aufgeweichten Boden ein und schob ihn vor sich her. So entstand der Wittensee. Das herausgeschobene Erdmaterial sind die Duvenstedter Berge. Ähnlich kann man sich die Entstehung der Eckernförder Bucht und der davor liegenden Hüttener Berge denken.

Erste Besiedlung unserer Gegend

Vor 10.000 bis 12.000 Jahren werden hier die ersten Menschen gelebt haben. Sie ernährten sich vorwiegend von der Jagd und vom Fischfang. Ihre Siedlungen lagen hauptsächlich an den Auen. Das genaue Entstehungsdatum ihrer Dörfer ist nicht nachzuweisen. Während das fruchtbare östliche Hügelland eher besiedelt wurde, reizte die unfruchtbare sandige Geest – die Grenze liegt zwischen Lehmbek und Borgstedt – nicht so sehr zur Ansiedlung. Sie war mehr ein Durchzugsgebiet. Von Jütland bis Wedel führte ein Heerweg, auch Ochsenweg genannt. Rechts und links davon fand man viele Hügelgräber, wie z. B. in Groß Wittensee. Auch auf der Schmiedekoppel in der Dorfmitte von Borgstedt befindet sich ein Grabhügel von etwa 20 Meter Durchmesser. In der Borgstedter Gegend an der „Brandheide“ fand man einen Urnenfriedhof, der aus der Zeit von 400 bis 500 n. Chr. stammt. Eine Parallele dazu fand man in England. Dorthin sind vermutlich die Menschen von hier abgewandert. Um 500 n. Chr. war dieses Gebiet fast menschenleer.

Andere Völker drängten in das Gebiet zwischen Eider und Schlei: Von Osten die Slawen (Wenden). Das sieht man an den Namen Wentorf und Nordsee (schlawisch: Norze). Von Norden die Jüten. Das sieht man an den Namen Klint (Hochufer, heute Gehöft) und Monschau (schau = Wald). Die Wikinger siedelten entlang der Schlei (Haithabu). Von ihnen stammen alle Orte auf -by. Von Süden der nördlichste Stamm der Sachsen, die Holsten. Sie eroberten die Eiderinsel, auf der Rendsburg entstand. Zwischen geschlossener wendischer, jütischer und sächsischer Besiedlung lag also dieses Grenzgebiet, in das immer wieder einzelne vorstießen, ohne es jedoch planmäßig zu besiedeln.

Besiedlung Borgstedts

Die Besiedlung unseres Gebietes begann zwischen 300 und 400 n. Chr.. Es gab hier eine Furt, einen Übergang der Eider. Sie hatte aber nur untergeordnete Bedeutung; denn der Hauptübergang der Eider lag bei Fockbek und Klint, wo der Heerweg die Eider querte. Auf diese erste sächsische Siedlung deutet der Urnenfriedhof an der Brandheide.

Etwa um 1250 erfolgte die planmäßige Besiedlung unseres Gebietes durch die Grafen von Holstein, die in Rendsburg ihren Sitz hatten. Die erste Urkunde, in der Borgstedt genannt wurde, stammt aus dem Jahre 1375. Damals hatte ein „Eiler von der Wisch“ hier Besitzungen. Er verkaufte am 9. Februar 1375 sein „Gut Borgstedte“ an den Grafen Heinrich. Eine Hufe war je nach Bodengüte 15 bis 20 ha, ja sogar bis 50 ha groß und sicherte die Ernährung der Familie. Um 1542 hatte das Dorf fünf Hufner und drei Wurtsitzer. Es gehörte zum Amt Rendsburg. Die Festung Rendsburg war besonders im 16. und 17. Jahrhundert immer wieder in kriegerische Handlungen verwickelt, die naturgemäß auch die umliegenden Ortschaften in Mitleidenschaft zogen. Daher war eine rasche Aufwärtsentwicklung dieser Orte nicht zu verzeichnen.

Einen ersten Aufschwung brachte der Bau des Eiderkanals von 1777 bis 1784. Am 16. März 1853, als Borgstedt aus dem Amt Rendsburg ausschied und dem Amt Hütten zugeschlagen wurde, hatte der Ort drei Vollhufen, fünf Halbhufen, vier Viertelhufen und vierzehn Katen. 1880 hatte das Dorf 283 Einwohner. Einen weiteren Aufschwung bewirkte der Bau des Nord-Ostsee-Kanals, seinerzeit Kaiser-Wilhelm-Kanal genannt, von 1887 bis 1895. Die „Topographie des Herzogtums Schleswig von 1906 von Hennig Oldekop“ führt in dem Abschnitt über Borgstedt (II 29) folgende Einzelheiten über den Ort und seine Ausbauten auf: „Zwei Privatfähren für Fußgänger verbinden die Ufer der Eider (Kaiser-Wilhelm-Kanal). Der schon früher vorhandene Lösch- und Landeplatz für kleinere Fahrzeuge wurde von der Kanalverwaltung wieder hergestellt. Der Ort besitzt eine zweikl. Schule, Schmiede, fünf Handwerker, eine Zigarettenfabrik und zwei Wirtshäuser. Borgstedt hat 39 ländl. Besitzungen, eine von 95 ha, 980 MR., Hans Ehlers, und vier von 25 bis 50 ha, 34 kleiner. Acker 5. bis 7. Klasse, Hölzungen fehlen, Torfmoor dient zu eigenem Gebrauch. Borgstedtfelde ein bis zwei Kilometer nordwestlich, sieben Wohng. 40 Ew., Besitzungen von reichlich 100 ha, D. H. Naeve, eins von 72 ha, H. Sieh und eins über 50 ha, Gastwirt J. H. Lensch zu Borgstedt besitzt hier eine Stelle von 52 ha, eine Stelle ist kleiner. Zus. 20 Pf. 100 R. Hemdsteert, s., an der Landstraße Rendsburg – Friedrichsort, 22 Wohng. 23 Ew. Rendsburger Wasserwerk, an der Landstraße, eine Wohng. Sieben Ew. Buschkathe, an der Chaussee Rendsburg – Eckernförde, eine St. 2 Pf. 8 R. Auf der holsteinischen Seite liegen: Die Kokswerke in Rade, Stahl- und Walzwerke in Audorf, Sandstein-Fabrik in Audorf.“

1912 bis 1914 wurde der Kanal bei Borgstedt begradigt. Dadurch entstand die Rader Insel zwischen dem bisherigen Kanalbett in der Borgstedter Enge und dem neuen Kanalbett. Auch diese Bauvorhaben berührte und bereicherte das Dorf. Während der Kanalbau die Einwohnerzahl verdoppelte, blieb sie von 1910 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 nahezu konstant: 1910: 537 Einwohner, 1925: 499 Einwohner, 1939: 513 Einwohner. Erst als 1937 eine Brücke von Borgstedt zur Rader Insel gebaut worden war, konnte der Fährbetrieb eingestellt werden.

Der Flüchtlingsstrom am Ende des Zweiten Weltkriegs bewirkte nicht nur eine Verdoppelung der Bevölkerungszahl auf 1042 im Jahre 1949; mit ihm war zwangsläufig auch eine völlige Umwandlung der Struktur des Dorfes verbunden. Sie wird in den nächsten Abschnitten immer wieder deutlich werden.

Das Dorf am Kriegsende

Borgstedt war im wesentlichen ein Bauerndorf, hatte allerdings einen beträchtlichen Teil an Arbeitern, vor allem an Facharbeitern. Sie fanden, bedingt durch die Nähe des Dorfes zu Büdelsdorf und Rendsburg, Beschäftigung in der Carlshütte in Büdelsdorf und in den Werften und Betrieben in Rendsburg. Der Ortskern bestand aus den Häusern und Geschäften sowie den Gehöften in der jetzigen Rendsburger Straße und der Dorfstraße. Mit dem heutigen Dorf verglichen, war der Ort klein und leicht überschaubar. Es hatte kaum unter den verheerenden Kriegsfolgen gelitten. Zum Dorf gehörten die Außenbezirke Borgstedtfelde und Diekshof. Es gab folgende Bauernhöfe: An der Rendsburger Straße: Hans Greve, Hans Lensch, Johann Lensch, Jürgen Mohr, Claus Pahl. An der Dorfstraße: Claus Bielfeldt, Hans Haar, Hans Sick, Hans-Claus Ehlers. In Borgstedtfelde: Naeve, Rathje, Jacob Lensch. In Diekshof: Willi Lensch.

Die Einkäufe tätigte man in den Lebensmittelgeschäften von August Kagelmann, Claus Schultz, Heinrich Dittmann, in der Bäckerei Marie Stolley, in der Schlachterei Cornils und im Milchverkauf Wilhelm Kruse. Die schlechten Verkehrsverhältnisse und natürlich auch das Fehlen von Supermärkten in der Stadt führten dazu, das die Dorfbewohner vor allem in ihren „Tante-Emma- Läden“ einkauften. Die hatten den Vorteil der individuellen Beratung und Bedienung und des persönlichen Gesprächs während des Einkaufs. Man mußte allerdings etwas Zeit mitbringen.

Einige Handwerksbetriebe versorgen die Dorfbevölkerung mit den erforderlichen Dienstleistungen:

Tischlerei Klaus Mohr, Schmiede Christian Wulf, Gärtnerei Heinrich Sander, Maler Johannes Schulz, der nebenbei eine Imkerei betrieb. Die Fischer Thomas Petersen mit Karl Schuhmacher und Willi und Johannes Stuck lieferten für die Bewohner und vor allem für die angrenzenden Städte Frischfische aus der Borgstedter Enge, dem Schirnauer See, dem Kanal und dem Audorfer See; sie räucherten auch selbst. Die Gastwirtschaften „Lindenhof“ (Paul Rühmann) und „Zur Kaffeetasse“ (Johann Lensch) bewirteten vor allem fremde Gäste, aber auch Einwohner, und standen  für Feiern und Versammlungen zur Verfügung. Die Geldgeschäfte und den Einkauf von Kohle, Düngemitteln und anderen Waren konnte man in der Spar- und Darlehnskasse Borgstedt tätigen.

Erst durch den Anschluß von Lehmbek an Borgstedt im Jahre 1975 wuchs die Einwohnerzahl auf 1070, und durch das Alten- und Pflegeheim erhöhte sie sich sogar auf 1139 im Jahr 1991.

Anmerkung der Redaktion: Alfred Hoffmann hat sicher aufgrund des Platzmangels diesen Beitrag sehr straff gehalten und sich auf das Wesentliche konzentriert. Sein Vorgänger Christian Wulf, ebenfalls Lehrer an der Borgstedter Schule, bewerte recht deutlich die Erkenntnisse seiner Zeit in Wort und Stil der wilhelminischen und Vorkriegszeit.

In epischer Breite widmet sich Johannes Witt diesem Thema, welches sich anschließt. In der Natur der Sache liegt es, dass vieles sich wiederholt weil alle die gleichen Quellen nutzen. Interessant erscheint die Deutungsweise und die Herangehensweise an die Politik früherer Jahre sowie bei Witt die Detailversessenheit und Recherchefreude. Viel Freude beim Lesen und Vergleichen.