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Herrschafts- und Verwaltungsgeschichte

Um dieses Kapitel einigermaßen verständlich zusammenzufassen, bedarf es einer Exkursion in die weite Welt der schleswig-holsteinischen Geschichte. Dazu das sehr aussagekräftige Zitat des britischen Premierministers Henry John Temple aus dem 19. Jahrhundert:

„Nur drei Menschen haben die schleswig-holsteinische Geschichte begriffen – Prinzgemahl Albert, der ist tot; ein deutscher Professor, der ist wahnsinnig geworden; und ich, nur habe ich alles darüber vergessen.“

Glücklicherweise gibt es eine Menge Historiker, die die Ergebnisse ihrer Forschungen nicht vergessen haben und diese in vielen Publikationen veröffentlicht haben. Die Anzahl von Fakten, Daten und Namen ist derart vielschichtig, dass sie für eine Chronik eines relativ unbedeutendes Dorfes im Zentrum Schleswig-Holsteins nicht unbedingt relevant ist und deshalb beschränken wir uns auf wenige Parameter der Historie in der Hoffnung, einen speicherbaren Beitrag geleistet zu können.

Der dänische Einfluss unserer Gegend beruht auf der Herrschaft unserer nördlichen Nachbarn. Angefangen bei den Wikinger-Häuptlingen des frühen Mittelalters bis zu dem dänischen Königshaus in Kopenhagen, das bis heute existiert.

Dazu schreibt der Chronist J. Witt: Göttriks Wikingerzüge reichten oft, wenn auch nur kurz, in das fränkische Gebiet hinein. Als eine spätere Zusammenkunft der beiden Könige in der Absicht, über die Grenzfrage zu verhandeln, ergebnislos verlief, besetzte Karl der Große daraufhin das Land bis zur Eider. Göttrik fiel bald darauf auf einem Kriegszug gegen die Friesen und sein Nachfolger Hemming sucht seinerseits bei Karl um Frieden nach. Beide trafen sich 811, wie damals üblich, an der Grenze ihrer Herrschaftsbereiche, an einem nicht namentlich bekannten Ort an der Eider. Weil dafür nur wenige Stellen am Fluß mit einer Furt in Frage kamen, kann man davon ausgehen, dass möglicherweise die Borgstedter die Ausrichter dieses Gipfeltreffens waren. Zwölf Franken und ebenso viele Dänen verhandelten über den Grenzverlauf. Das Verhandlungsergebnis wurde schriftlich und von den jeweils zwölf Zeugen jeder Partei beeidet. Damit war die Eider als Grenze zwischen beiden Herrschaftsbereichen festgelegt, aber unser Gebiet erfährt dennoch eine doppelte Zuordnung: politisch gehört es zu Dänemark mit der Eider als Grenze aber militärisch zum Frankenland mit dem Danewerk als Grenze. Es blieb dadurch so etwas wie ein Niemandsland, was auch niemanden sonderlich störte, denn es blieb lange Zeit siedlungsarm. Allerdings führten durch das Gebiet schon zu karolingischer Zeit vielbefahrene Durchgangsstraßen, von Jütland über Rendsburg nach Süden. Das Gebiet trug seit Alters her den Namen  „Zwischen Schlei und Eider“. Der Name erscheint erstmals im Erdbuch Waldemars II. aus dem Jahre 1231. Die Bezeichnung des Landes deutet auf eine Sonderstellung des Gebietes innerhalb Dänemarks hin. In der Grenzregionan der Eider reagierte man sehr sensibel auf das politische Geschehen zwischen Dänemark und dem Deutschen Reich. Die Frage, wo gehören Schleswig und Holstein politisch hin, wurde von Fall zu Fall, damals nie, sondern erst 1864 endgültig beantwortet.

Für die Bewohner des Landes war es unbedeutend, von wo ihr Herzog, Graf oder sonstiger Herrscher das Land regierte. Die Steuern mussten nach wie vor entrichtet werden. Die Machtkämpfe spielten sich nicht auf nationaler Ebene ab, sondern wurden zwischen den rivalisierenden Fürstenhäusern ausgefochten. Dass Söhne ihre Väter meuchelten, dass Brüder ihr eigenes Blut mordeten und verwandtschaftliche Verhältnisse Anlass zu blutigen Auseinandersetzungen half der Stabilität nicht im Geringsten. Selbst Vermählungen zwischen verfeindeten Häusern brachten nur kurzzeitig Friede und Ruhe. Diese Machtkämpfe gingen glücklicherweise an Rendsburg und seinem Umland, wie Borgstedt, vorüber.

Gegen Ende des 13. Jahrhunderts hatten die holsteinischen Adligen durch den Erwerb beträchtlicher Ländereien nördlich der Eider deutlich an Macht gewonnen und so in Schleswig Fuß fassen können.

Mit dem Vertrag von Ripen vom 5. März 1460 sollte die Region politisch stabilisiert werden. In dem Vertrag wurde festgelegt, dass Schleswig dänisches Lehen blieb, Holstein deutsches. Aber in der Praxis wurden beide als Einheit regiert und erhielten einen gemeinsamen Rat. Den Vertrag schlossen Ritter und Lehnsherren mit ihren Landesherren. Sie wählten den dänischen König Christian I. zum Herzog von Schleswig und Grafen von Holstein. Seine Wahl musste der König teuer bezahlen. Der Landadel errang damit die Selbstständigkeit Schleswig-Holsteins gegenüber dem Königreich sowie die unteilbare Zusammengehörigkeit der beiden Lande: „dat se bliven ewich tosamende ungedeelt“.

Bereits 1490 kommt es zur nächsten Zweiteilung des Landes, denn König Christian weist seinen Söhnen Johann und Friedrich große Teile des Landes als Verwaltungsbezirke zu. Bei dem Versuch den dithmarscher Bauernstaat zu unterwerfen, erleidet Friedrich 1500 eine vernichtende Niederlage. Der Historiker Robert Bohn nennt die folgenden Jahre „Das Zeitalter der Teilungen“. Um nicht weiter in Details zu gehen und in ephische Breite zu verfallen, kehren wir das Augenmerk auf unser kleines Dorf, das im Schatten der Rendsburger Festung liegt. Vermutlich ziehen diverse Heere verschiedener Herrscher hier vorbei, im Dreißigjährigen Krieg belagern die Schweden die Festung Rendsburgs und damit wurde vermutlich auch das schutzlose Borgstedt in Mitleidenschaft gezogen. Dokumente darüber liegen leider nicht vor, aber man kann sicher sein, dass es die Bevölkerung unter den Besatzern nicht leicht hatte.

Im 16. Jahrhundert bildet sich landesherrliche Behördenorganisation. In den landesherrlichen Ämtern herrschen die Fürsten, doch erhalten sich in Kirchspielen, Harden, Städten und Gemeinden noch beachtliche Reste bäuerlicher und bürgerlicher Selbstverwaltung. Borgstedt gehörte am Ende des 17. Jahrhunderts dem Amt Rendsburg an. Die dänische Herrschaft über Schleswig-Holstein endet erst 1864 mit dem Sieg der Preußen und Österreicher über das dänische Heer.